Ein Abenteuer beginnt stets mit einem aufregenden Mix aus Schmetterlingen im Bauch, Vorfreude und einer Prise Ungewissheit. Schon seit Wochen hatten wir uns auf diese Reise gefreut. Prognosen wurden eifrig studiert und Möglichkeiten leidenschaftlich diskutiert. Als der Samstagabend gekommen war, wurde schliesslich die Route festgelegt: Von Montreux bis nach Konstanz sollte unsere Reise in diesem Jahr führen. Eine Route voller Potenzial und zahlreicher Möglichkeiten. Unsere Sehnsucht nach bestem Flugwetter war allgegenwärtig, denn obwohl wir Hike & Fly Athleten sind, möchten wir doch ungern zu viel Zeit mit dem Laufen verbringen.
Wie wir uns schliesslich diesem Abenteuer stellten und ob unsere Erwartungen und Hoffnungen erfüllt wurden, wollen wir euch nun in den kommenden Zeilen erzählen.
Tag 1
Montreux – Jaun
Gemeinsam brachen wir um 10:30 Uhr von Montreux zu unserem diesjährigen Abenteuer auf. Unterwegs erwogen wir die Möglichkeit, früher zu starten. Doch die hohen Wolken schienen die Sonneneinstrahlung zu dämpfen. Daher setzten wir unseren Aufstieg zum Gipfel der Roche de Naye fort.
Die Startmöglichkeiten waren leider nicht ideal, und auch die Wolken präsentierten sich wenig vielversprechend. Trotzdem starteten die meisten Piloten. Zwar gelang es uns knapp, über den Gipfel hoch zu soaren, doch dann musste man sich ins Lee begeben um nach aufsteigender Thermik zu suchen. Richtung Berner Oberland schienen die Wolken vielversprechend, jedoch warnte der Wetterbericht vor nahenden Gewittern.
Alle gestarteten Piloten landeten schliesslich in der Region um Château d’Oex, da es schwierig war, ausreichende thermische Aufwinde zu finden. Alle? Alle bis auf unseren Teamleader Stefan. Er war der Erste in der Luft und der Einzige, der seinen Flug bis zum Jaunpass fortsetzten konnte. Dort gewann er genug Höhe, um schliesslich in Boltigen zu landen.
Während die Pilotengruppe «Château d’Oex» sich auf einen weiteren Aufstieg vorbereitete, um später erneut abzuheben, suchten die Übriggebliebenen nach einer neuen Lösung. Die Gruppe «Immer noch in Montreux» stieg wieder ein Stück ab und startete gemeinsam am Startplatz Jaman. Doch auch hier konnte keiner eine schöne Abendthermik finden und es blieb lediglich bei einem schönen Abendgleitflug in Richtung Genfersee. Während diese Gruppe sich auf ein kleines Abenteuer mit Bus und Bahn begab, konnte der andere Teil des Teams noch ein wenig Abendthermik geniessen und direkt bei unserer Unterkunft, dem Soldatenhaus in Jaun, landen. Zum Abendessen um 21 Uhr versammelten wir uns dann wieder und schmiedeten neue Pläne. Auch wenn der Tag nicht so gut verlaufen war, wie wir es gehofft und erträumt hatten, so war doch die Vorfreude auf den nächsten Tag umso grösser.
Tag 2
Jaun – Eriz
Nach einer erholsamen Nacht und einem ausgiebigen Frühstück machten wir uns bereit für einen Gleitflug über das Tal. Die Gruppe startete zügig und überraschenderweise konnte mindestens die Hälfte der Teilnehmer entlang der malerischen Bergkette der Gastlosen bis auf 2000 Meter Höhe soaren. Trotz des grossartigen Flugerlebnisses wartete ein Teil der Gruppe am Boden, daher beschlossen wir, nahe dem Jaunpass zu landen, wo wir uns wieder versammelten.
Von diesem Punkt aus stiegen wir zum Schafberg auf. Da wir als Gruppe besser fliegen wollten als am Vortag, warteten wir am Startplatz bei der Wolkenbasis, bis der letzte Pilot gestartet und in der Luft war. Wir fanden gute Thermik in Richtung Thun, aber die Wolkenbasis für die Überquerung des Sees war relativ niedrig. Daher versuchten wir es in Richtung Niesen. Zwar konnten wir dort etwas Höhe gewinnen, doch dann kämpften wir gegen die Abschattung, und so landete beinahe die ganze Gruppe in Aeschi.
Schnell wurde beschlossen, den See mit dem Boot zu überqueren. Zu diesem Zeitpunkt präsentierte sich der Sigriswilergrat als vielversprechend, und wir hofften, von dort aus noch eine ordentliche Strecke in Richtung Emmental zurücklegen zu können. Leider gestaltete sich der Aufstieg in der Mittagshitze länger als erwartet, und wir fanden den Startplatz im Lee vor. Das bedeutete, dass wir gut 10 Kilometer wandern mussten, bevor wir kurz vor Einbruch der Dunkelheit ins Eriz abgleiten konnten.
Tag 3
Eriz – Stans
Am Morgen plünderte unsere hungrige Gruppe erst einmal das örtliche «Dorflädeli». Ich fürchte, die Dorfbewohner gingen an diesem Tag leer aus…
Gestärkt starteten wir in das nächste Tal. Dort musste sich die Gruppe aufteilen, da die fitteren Piloten den direkten Aufstieg zur vielversprechenden Schrattenfluh in Angriff nehmen wollten. Währenddessen entschied sich das Team «Lahm und Kaputt», die letzen zwei Tage hatten bereits ihren Tribut gefordert, für die Bahnfahrt nach Marbachegg. Dort konnten sie von wertvolles Tipps und Tricks von den örtlichen Piloten profitieren.
Der Plan zur Schrattenfluh zahlte sich aus: Die fitteren Piloten starteten am Mittag und konnten rasch auf 2000 Meter aufsteigen. Dann war Geduld gefragt, denn etwa eine halbe Stunde später gelang ein erfolgreicher Aufstieg auf 2800 Meter, gefolgt von einem Flug Richtung Osten. In Giswil trafen jedoch die ersten Gewitterzellen ein, und die Schrattenfluh-Gruppe verlor sich aus den Augen. Ein Teil der Piloten musste in der Region Giswil landen und das Gewitter abwarten, während ein anderer Teil genug Höhe hatte, um ostwärts zu fliehen. Zwei von ihnen landeten im Melchtal, während Chris genug Höhe hatte, um sogar bis ins Engelbergtal zu flüchten.
In der Zwischenzeit startete das Marbach-Team ebenfalls in die Luft, jedoch war das optimale Flugfenster nur etwa 10 Minuten lang, und wir verloren bereits vor Ort den ersten Piloten. Zu zweit schafften wir es an die Schrattenfluh, hatten jedoch mit Abschattungen von den Gewitterzellen zu kämpfen. Wahrscheinlich trafen wir dort die falsche Entscheidung, indem wir in Richtung Hagleren flogen, anstatt nach Flühli zu gehen. Denn dort fanden wir keinen Anschluss und waren dem Talwind ausgesetzt.
Nachdem wir endlich eine Unterkunft in Stans gefunden hatten – für eine so grosse Gruppe gestaltete sich das spontan als sehr schwierig – machten sich alle Teammitglieder auf den Weg dorthin, möglichst per Hike & Fly und gegebenenfalls mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Während des Abendessens wurde viel erzählt und diskutiert. Obwohl wir dasselbe Abenteuer teilen, hatte dennoch jeder von uns unterschiedliches erlebt und neue Erfahrungen gesammelt.
Tag 4
Stans – Klausenpass
Die Nacht im Stroh war gemütlicher als erwartet. Die erste Gruppe startete bereits um 6 Uhr Richtung Emmetten, wo sich die gesamte Truppe wieder vereinte. Von dort aus bot sich die Möglichkeit, entweder mit der Bahn zu fahren oder die Höhenmeter zu Fuss zu bewältigen. Die meisten entschieden sich für den Aufstieg zu Fuss. An diesem Tag war Sebastian zweifellos unser Held, der immer noch unermüdlich schien und nie eine motorisierte Abkürzung in Anspruch nehmen musste.
Nun war Eile angesagt, denn eine Schlechtwetterfront näherte sich. Ein Gleitflug nach Altdorf konnte verwirklicht werden, wo sich die hungrige Gruppe in einem gemütlichen Restaurant vor dem Regen in Sicherheit brachte.
Die meisten Teammitglieder wagten den Aufstieg zu unserer Unterkunft am Klausenpass ohne Gepäck, um ihre Ausrüstung vor der Nässe zu schützen. Während sich das Team «Running in the Rain» den Berg hinaufkämpfte, stellte sich das Team «Gepäck» einer besonderen Herausforderung: Autostopp mit 11 grossen Rucksäcken. Es ist kaum zu glauben, dass wir innerhalb von 5 Minuten 2 Autos fanden, die bereit waren, uns den Berg hinaufzubefördern. Ein grosser Dank gebührt allen netten Autofahrern, die stets Mitgefühl für die gestrandeten Piloten zeigen.
Tag 5
Klausenpass – St. Gallen
Der Plan schien einfach: Auf den Klausenpass hinauflaufen und dann hinunter zum Urnerboden gleiten. Doch wie es oft mit Plänen ist, gestaltete sich die Umsetzung nicht so reibungslos wie gedacht. Auf dem Pass kämpften wir gegen starken Rückenwind. Anfangs wurde noch gemeinsam überlegt, dann verteilte sich die Gruppe allmählich, jeder lief in eine andere Richtung, in der Hoffnung auf die beste Flug-Chance. Schliesslich schafften es viele von uns von verschiedenen Starplätzen in die Luft.
Aufgrund der fortschreitenden Zeit und dem Wunsch, die optimalen Flugbedingungen zu nutzen, entschied sich die gesamte Gruppe, den Bus und später die Bahn zu nehmen. Der Startplatz in Braunwald ist bekannt für Streckenflüge, und so gelangten wir zügig zur Wolkenbasis. Zunächst flogen wir noch zusammen, doch bald verlor sich die Gruppe in der Luft. Die Leadergruppe mit Cedi und Nicolas schaffte es bis nach St. Gallen, fand dort jedoch keinen weiteren thermischen Anschluss. Andere Piloten landeten in Appenzell oder bereits am Walensee.
Selbst wenn wir es nicht bis zum Ziel nach Konstanz geschafft haben, haben wir dennoch gemeinsam eine grossartige Zeit erlebt. Denn zu einem wahren Abenteuer gehören eben Höhen und Tiefen. Und am Schluss waren alle zufrieden auf der Heimreise.
Der letzte Flug war für mich persönlich das Highlight dieser Woche. Es ist etwas Besonderes, die Berge in einer völlig neuen Region von oben zu erkunden. Ich denke, wir haben die Herausforderung gut gemeistert, sogar ohne unseren Teamchef Chrigel Maurer, der normalerweise immer gute Ideen hat (oder vielleicht sogar die besten?). In diesem Fall musste das Team allein die richtigen oder weniger richtigen Entscheidungen treffen. Es wurde viel diskutiert und viel gelernt, und somit war das X-Swiss erneut ein voller Erfolg!
Bericht von Linda Hoch